Wie alles begann oder Woran erkenne ich, ob mir mein Pferd vertraut?

hier sollte ein Bild von meinem Isländer Björnsi zu sehen sein

Mein Isländer Björnsi

Wie alles begann

Mein erstes eigenes Pferd, ein damals 5-jähriger Islandwallach, war ein sehr vertrauensvolles Pferd.

 

Obwohl noch nicht eingeritten, durfte ich mich beim Besichtigungstermin ohne Sattel auf seinen Rücken setzen und er trug mich brav ein paar Meter, von seinem Besitzer geführt. Fotos belegen, dass er dabei schon eine Trense im Maul hatte. Auch das kein Problem. Das würde heute schon fast als „angeritten“ durchgehen. 😉

Er hatte offensichtlich Vertrauen zu Menschen.

Ich hatte grundsätzlich Vertrauen zu Pferden.

Obwohl ich schon als Kind von einem Shetty  in die Brust gebissen worden war und des öfteren einen Pferderücken unfreiwillig verlassen hatte.

Menschen vertraute ich eher weniger, am ehesten noch Pferdemenschen.
Sofern sie nicht, wie damals recht verbreitet, die Pferde grob behandelten, was mir höchst zuwider war.

Ich wünschte mir ein Pferd als Freund.

Das durfte ich bereits erleben mit dem Islandwallach Lysingur, „der Leuchtende“, auf dem ich 1 Jahr lang eine Reitbeteiligung hatte. Ich bin seiner Besitzerin noch heute dankbar für ihr Vertrauen in mich. Dass sie mir ihr wundervolles Pferd anvertraute, obwohl ich kaum Reiterfahrung hatte. Aber damals war das alles ein bisschen anders. Ich ritt mit 14 Jahren alleine in den Wald, ohne Helm und ohne Handy (heute reite ich mit Helm und Handy aus). Ohne dass irgendjemand wusste, wohin oder wie lange ich unterwegs sein würde. Auch meine Eltern vertrauten darauf, dass das Pferd mich heil zurückbringt oder vielleicht auch, dass ich wusste, was ich tat.

So kam es, dass ich von dem kleinen halbblinden Isländer erfuhr, der zum Schlachter sollte, wenn ihn keiner kauft. Das war DIE Chance, zu einem eigenen Pferd zu kommen. Er war nicht teuer und bei dem Bauern, bei dem Lysingur stand und die Stute einer Freundin, war noch Platz. Auch das nicht teuer.
Hufeisen braucht ein Isländer nicht, krank wird er nicht, Hafer braucht er auch nicht….das waren die Argumente, um meinen Vater zu überzeugen (erst später lernten wir, dass diese Einschätzung nicht ganz korrekt war….). Und der Charme der bezaubernden jungen Stute meiner Freundin. Zufälligerweise führten unsere gemeinsamen Spaziergänge häufig beim Haus meiner Eltern vorbei – das in einer Sackgasse lag.

Björnsi, wie ich ihn nannte, zu deutsch „Kleiner Bär“, stammte aus dem gleichen Stall wie Lysingur und die Stute der Freundin. Auch das ein Argument. Das würde es leichter machen, wenn er zu Pferden kommt, die er schon kennt. Irgendjemand hatte sich also durchaus Gedanken darüber gemacht, dass ein Pferd in fremder Umgebung unter Umständen aufgeregter sein könnte als im gewohnten Umfeld. Und mir vielleicht nicht gleich völlig vertraut…

Ja, und dann war er da, mein kleiner Bär. In meinen Augen wunderschön und das beste Pferd der Welt. Ich war verliebt.
Mit meinen 15 Jahren bin ich schon eine erfahrene Reiterin. Dachte ich.
10 Reitstunden an der Longe und in der Abteilung auf teils abgestumpften, teils gerne mal bockenden Pferden hinter mir, die ausgebunden ihr ewig gleiches Programm in der Halle abspulten (es geht um die Zeit, in der Wetten abgeschlossen wurden, wie lange gewisse Pferde brauchten, um sich ihrer Reiter zu entledigen). Ein paar Mal „reiten“ dürfen auf Max, dem Ackergaul meines Onkels. Und 1 Jahr lang 1x/Woche ausreiten auf Lysingur, dem unerschütterlichen, in jeder Situation souveränen Professor im Gelände.

Es war sonnenklar, dass ich mein Pferd selbst ausbilde. War ja so schön Schritt für Schritt beschrieben in der „Freizeit im Sattel“, der Fachzeitschrift für Freizeitreiter und Pferdehalter, konnte doch so schwierig nicht sein…..

Ich muss sagen, es mangelte mir in dieser Hinsicht nicht an Selbstvertrauen, bei anderen Themen war das eher ein Fremdwort für mich.

Wie schon erwähnt, vor Pferden hatte ich keinerlei Angst.
Ausserdem war mein Pferdchen sehr klein, 130 cm Stockmass.

Und es gefiel mir ausgesprochen gut, wie er im Stolztrab durch die neue Herde schwebte, um seiner Angebeteten zu imponieren und sie von den anderen Pferden fernzuhalten. Dabei handelte es sich um eine nicht mehr ganz junge Stute aus ebenfalls dem gleichen Stall, die er – wie sich im Nachhinein herausstellte – im zarten Alter von 3 Jahren geschwängert hatte, bevor er kastriert worden war. Ich hatte also einen Zuchtwallach. Aha. Dass das womöglich Einfluss auf sein Selbstvertrauen und sein Verhalten mir gegenüber haben könnte, davon hatte ich keine Ahnung.

Den 1. Spaziergang werde ich nie vergessen. Unerfahren, wie ich war, nahm ich mein neues Pony mit dem viel zu grossen (weil billig gebraucht erstandenen) Halfter an dem viel zu kurzen, viel zu dünnen Strick aus Polyester, (natürlich ohne Handschuhe, es war ja nicht so kalt) und ging ins Gelände.
Ca. 100m vom Hof entfernt hing eine flatternde Plastiktüte am Stacheldraht (es gab noch überall Stacheldraht, oft auf beiden Seiten des Wegs).

An diesem Tag lernte ich, wie schnell ein kleiner verliebter Isländer wieder bei seiner Herde sein kann. Dass ein durch die Hand gezogener Strick weh tut. Und dass Du nicht den Hauch einer Chance hast, 300kg Pferd zu halten, wenn es das nicht will. Wenn es Dir nicht vertraut.

 

Ich hatte keine Ahnung, woran ich erkenne, ob mein Pferd mir überhaupt vertraut.

Ich hatte keine Ahnung, woran ich erkenne, wann es mir oder einer Situation nicht mehr vertraut.

Ich hatte keine Ahnung, wie ich die einzelnen Schritte sinnvoll aufbaue, damit es mich versteht und mir auch in schwierigen Situationen vertraut.

 

Und damit Dir das nicht auch passiert (aber sicher hast Du schon viel mehr Erfahrung als ich damals), habe ich ein paar Tipps für Dich.

Daran kannst Du erkennen, ob Dein Pferd oder Pony im Vertrauen ist:

1. Beobachte die Atmung Deines Pferdes in unterschiedlichen Situationen.

Lerne, wie seine normale Atmung aussieht, damit Du Abweichungen richtig einschätzen kannst. Du siehst die Atmung am besten an der Flanke. Wenn es im Vertrauen ist, atmet es ruhig und gleichmässig.

Pferde können auf den ersten Blick völlig entspannt aussehen, aber trotzdem den Atem anhalten oder sehr reduziert atmen, flach oder unregelmässig. Das verrät Dir, dass das anscheinend entspannte Pferd gerade durchaus angespannt oder sogar überfordert ist.

2. Geht es ruhig mit Dir mit, im Idealfall mit leicht durchhängendem Führseil?

Kannst Du es aus jeder Position heraus führen? Neben der Schulter, auf Kopfhöhe, vor ihm oder auch mal von hinten? Gibt es Situationen, in denen es sich weigert, weiterzugehen? Oder versucht, sich loszureissen?

Übe, Dein Pferd aus jeder Position heraus führen zu können. Zuerst in der Halle/auf dem Platz, später auch bei einem Spaziergang im Gelände. Achte darauf, dass Dein Pferd sich immer wohl fühlt damit und die Aufmerksamkeit bei Dir hat!

3. Beobachte sehr genau die typische Kopfhaltung Deines Pferdes.

Trägt es den Kopf in einer mittleren Haltung oder sehr hoch? Oder schleift es fast mit der Nase über den Boden? Eine sehr hohe Kopfhaltung signalisiert Fluchtbereitschaft. Pferde sind Fluchttiere. Bevor sie flüchten, nehmen sie den Kopf hoch, vermutlich, um einen besseren Überblick zu haben. Wie hoch, ist je nach Typ und Rasse unterschiedlich. Was für einen Friesen eine entspannte tiefe Kopfhaltung ist, kann für ein Quarterhorse bereits höchste Alarmbereitschaft bedeuten. Deshalb solltest Du lernen, Dein Pferd richtig einzuschätzen. Dabei hilft Dir wieder die Atmung, wenn Du Dir nicht sicher bist, ob das Pferd noch entspannt ist oder schon angespannt.

Was kannst Du tun, um das Vertrauen des Pferdes in Dich als souveräne Leitfigur zu stärken?

1. Atme selbst sehr bewusst.

Spüre, wie Du selbst atmest, vor allem, wenn Du unsicher bist oder nicht genau weisst, ob Du alles richtig machst. Du kannst üben, gleichmässig und ruhig auszuatmen oder sogar abzuschnauben wie ein Pferd. Das animiert das Pferd, Dich nachzuahmen.

2. Lehre Dein Pferd, den Kopf zu senken, wenn Du es darum bittest.

Sobald der Kopf tief genug getragen wird, schaltet das Nervensystem von Fluchtbereitschaft auf Ruhe um. Und damit ist Denken und Lernen wieder möglich. Aber Vorsicht: Arbeite dabei nicht mit Zwang und locke es auch nicht mit Futter nach unten, bleib ruhig, geduldig und konsequent. Das Pferd sollte lernen, auf ein Signal den Kopf zu senken und ihn auch unten zu lassen. Aber nicht zu tief.

Das Ziel ist, dass die Halsoberlinie, also der Mähnenkamm vom Genick bis zum Widerrist, ungefähr eine waagrechte Linie bildet. Natürlich wieder in Bezug auf die rassetypische und für Dein Pferd typische Kopf-Hals-Haltung.
Belohne jede kleine Bewegung in die richtige Richtung, also z.B. wenn es den Kopf nur ein paar mm senkt. Meistens wird er am Anfang gleich wieder nach oben gehen. Versuch es gleich noch einmal. Gib nicht auf. Sei konsequent. Freue Dich über jeden noch so kleinen Fortschritt. Aber versuche, das Ganze als Spiel zu sehen, damit Du nicht verbissen wirst. Beende die Übung immer mit einem kleinen Erfolg und hör auf, wenn es gut war.

Ich lasse z.B. alle meine Pferde jedesmal, wenn ich ihnen das Halfter oder Kopfstück anziehe, den Kopf senken. Ebenso, wenn ich ihnen Halfter oder Kopfstück wieder ausziehe. Das hat für mich den zusätzlichen Vorteil, dass ich mich nicht so anstrengen muss und nach oben strecken, und dass auch kleinere Personen und Kinder in Ruhe auf- und abhalftern können.

3. Bringe Deinem Pferd bei, Berührung am ganzen Körper zu geniessen.

Probier aus, was es gern hat. Ob abstreichen mit der flachen Hand oder dem Handrücken, mit leichtem oder stärkerem Druck, ganz langsam oder etwas schneller. Oder abstreichen mit einer steifen Gerte. Vielleicht ruhige lange Striche mit einem Putzhandschuh oder einer weichen Bürste. Spüre auch dabei, wie Du atmest. Wenn wir uns konzentrieren, neigen wir dazu, wenig zu atmen.

Wo hat es Stellen, an denen es kitzlig ist und lieber gekratzt werden möchte? Wo ist es empfindlich und möchte am liebsten nur ganz zart mit einem Lammfell angefasst werden? Gibt es Stellen, wo Du es gar nicht anfassen darfst? Ist das jeden Tag gleich?
Je besser Du Dein Pferd kennenlernst, umso besser lernst Du sein Verhalten einzuschätzen.

Von Linda Tellington-Jones habe ich gelernt:
„Reite ein Pferd erst, wenn es sich  am ganzen Körper anfassen lässt.“
Sie wiederum hat das von den Indianern gelernt.

Noch ein Zitat von Linda: „Lege Dein Herz in Deine Hand und Deine Hand auf Dein Pferd.“

Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du Freude dabei hast, Dein Pferd neu kennenzulernen!

Bleib im Vertrauen.

Deine Beate

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