Es ist Herbst.
Im September hatte ich wieder die Ehre und das Vergnügen, Linda Tellington-Jones bei einem Kurs assistieren zu dürfen. Dieses Mal war es ein 3-tägiges Training mit Sportpferden, auch Jungpferden und einer Mutterstute mit Fohlen bei Fuss. Überwiegend Springpferde, zum 10. Mal in Italien, wo ich zum 8. Mal dabei sein konnte.
Und es war wieder einmal faszinierend zu sehen, wie schnell zunächst gestresste, unsichere Pferde im Lernparcours und mit ein bisschen Tellingon-TTouch® gelassener wurden.
Warum ist der Herbst relevant?
Nach dem heissen Sommer geniessen die Pferde die kühleren Temperaturen und den Wind genauso wie die Abwesenheit der nervigen (Pferde-)Bremsen und machen ihrer Freude gern durch übermütige Hüpfer und Rennspiele Luft.
Diese zusätzliche Power – noch verstärkt durch das wieder üppiger spriessende junge Gras (Vorsicht Hufrehe!) – hat allerdings oft auch erhöhte Schreckhaftigkeit zur Folge.
Jedes Rascheln, jede schnelle Bewegung in der Ferne kann zu einem Durchstarten oder Bocksprung führen. Manche Pferde scheinen förmlich nach einer Gelegenheit zu suchen, ihre überschüssige Energie mit einer Spontanaktion abzubauen.
Das ist jahreszeitlich bedingt völlig normal, mal mehr, mal weniger ausgeprägt, kann aber bei weniger erfahrenen oder leicht zu verunsichernden Reitern und Pferdebesitzern zu Verkrampfung oder Ängstlichkeit und damit verbunden nicht angemessenen Reaktionen dem Pferd gegenüber führen. Oder auch dazu, dass man sich manches nicht mehr traut, was bisher selbstverständlich war.
Was für Sportpferde, die in der Prüfung ihr volles Leistungspotenzial ausschöpfen sollen, ohne sich von äusserlichen „Schrecklichkeiten“ ablenken zu lassen, wichtig ist, gilt erst recht für Freizeitpferde. Sollen diese doch sicher und gelassen ihren Menschen als Freizeitpartner begleiten und durch unsere für Pferde durchaus herausfordernde Landschaft tragen. Dazu kommt, dass unsere heutigen Freizeitpferde oft unterbeschäftigt und zu energiereich gefüttert sind. Viele unserer sog. Freizeitpferde wurden eigentlich für die Arbeit auf hohe Leistung bei geringem (Futter-)Verbrauch gezüchtet. Und jetzt sollen sie bei reichlichem Futter und geringfügiger Beschäftigung immer gelassen und entspannt sein. Alles in allem keine leichte Aufgabe.
Zur Erinnerung:
„Raubtier“ Mensch auf dem Rücken von Fluchttier Pferd, womöglich noch alleine ohne den Schutz der Herde unterwegs in unbekanntem Gelände = worst-case-Szenario für das immer noch instinktgesteuerte Pferd mit dem Programm „Überleben = höchste Priorität“.
Deshalb ist ein starkes Grundvertrauen in die Fähigkeiten des Menschen, „sein“ Pferd führen und schützen zu können, von elementarer Bedeutung. Wenn das Pferd dann noch gelernt hat, seinen Fluchtinstinkt zu überwinden und stattdessen zu überlegen und in Ruhe auf die Signale „seines“ Menschenfreundes zu warten, sind die Weichen für einen entspannten Ausritt oder sonstige freudvolle Tätigkeiten bestens gestellt.
Was kannst Du selbst dafür tun?
Hier sind 5 einfache und erprobte Tipps, die Dir und Deinem Pferd das Leben erleichtern können, nicht nur im Herbst:
1. Achte auf Deine Atmung und auf die Deines Pferdes.
Wenn Dein Pferd die Luft anhält, solltest Du besonders bewusst atmen, v.a. AUSatmen, am besten durch den leicht geöffneten Mund mit einem leichten Geräusch. Wichtig: nicht stossweise ausatmen, sondern die Luft gleichmässig und langsam ausblasen.
2. Bring Deinem Pferd bei, auf ein Signal hin den Kopf zu senken. Zuerst vom Boden, dann auch vom Sattel aus. Bei hoher Kopfhaltung schaltet das Nervensystem auf Fluchtbereitschaft. Denken und Lernen sind dann unmöglich.
3. Nimm die Bedenken Deines Pferdes ernst. Mach ihm keinen Druck, wenn es sich weigert, weiterzugehen. Lobe es aber auch nicht dafür. Lass ihm einfach Zeit, sich in Ruhe alles anzuschauen, atme mit ihm, rede in ruhigem Singsang mit ihm und erkläre ihm, dass es die Schwierigkeit überwinden kann. Ermuntere es. Wenn die Situation zu schwierig ist, steig ab. Vom Boden solltest Du ihm mehr Sicherheit vermitteln können. Falls nicht, habt Ihr in der Ausbildung wichtige Schritte ausgelassen und solltet diese nachholen!
4. Übe Strategien, die Dir selbst helfen, ruhig zu bleiben. Ausser bewusst atmen kann das z.B. die Herzumarmung sein, die Du Dir einfach vorstellen kannst, oder Deine Füsse zu spüren. Vielleicht auch, Dir einen grossen roten wassergefüllten Ballon in Deiner Mitte vorzustellen, der Dich zentriert bleiben lässt. Du wirst die für Dich passende Übung finden. Wichtig ist dabei, diese Übung täglich in ruhiger Atmosphäre zu machen, damit sie dann in Stresssituationen abrufbar ist.
5. Mach es Dir zur Gewohnheit, Ungewohntes als Übungsmöglichkeit zu sehen anstatt dem vermeintlichen „Problem“ aus dem Weg zu gehen.
Beispiele: Nimm beim Schubkarrenfahren mal Dein Pferd an der Hand mit. Spann neben ihm einen Regenschirm auf. Geh neben einem Kinderwagen (am besten erst mal ohne Kind drin 😉 ) her. Schaut Euch aus sicherer Entfernung eine Baustelle an. Macht einen Dorfspaziergang inkl. Altglascontainer, Kinderspielplatz oder was halt grade da ist. Spiel Ball neben dem Auslauf. Usw. Die Aufgabe sollte herausfordernd, aber nicht zu schwierig oder gefährlich sein.
6. Dazu noch ein Bonustipp:
Wenn Du übst, achte darauf, dass Du am Anfang zwischen dem Pferd und dem „schrecklichen Element“ gehst und dass Du seitlich daran vorbeigehst anstatt frontal darauf zu. Pferde sind ruhiger, wenn der Fluchtweg frei ist und wenn sie lernen, den Kopf ein bisschen zur Seite zu drehen, um das „Objekt“ mit beiden Augen sehen zu können. Das gilt genauso beim Reiten: anstatt frontal auf etwas zuzugehen, kannst Du ein paar Mal einfach seitlich daran vorbeigehen – mit immer geringerer Entfernung. Manche Pferde reagieren auch gut darauf, sie mit z.B. Seitengängen zu beschäftigen, was zusätzlich den Vorteil hat, dass ein gebogenes Pferd, z.B. im Schulterherein, nicht so gut durchstarten oder bocken kann.
Wichtig ist in jedem Fall, dass Dein Pferd jeden Lernschritt verstanden hat und entspannt bei ruhiger Atmung absolvieren kann, bevor Du den nächsten Schritt anpeilst. Wenn Du Dir nicht sicher bist, geh lieber noch einen Schritt zurück, mach die Aufgabe leichter oder zerlege sie noch weiter in Einzelschritte, die Du dann nach und nach zusammenbaust.
Denk dran: unter Stress ist Lernen nicht möglich! In entspannter Atmosphäre und mit Spass, am Besten in der Gruppe, lernen Pferde schnell und gern und brauchen keine endlosen Wiederholungen.
Überlege genau, was Dein Pferd lernen soll, welches Ergebnis Du haben möchtest. Pferde lernen in jeder Sekunde. Es liegt an DIR, WAS gelernt wird!
Ich wünsche Dir viel Spass beim Üben 🙂
Und falls Du Dir alleine noch ein bisschen unsicher bist, dann bist Du herzlich eingeladen, bei unserem Gelassenheitstraining am 15.10.2017 teilzunehmen.
Für alle Leser meiner Inspirationen zum Sonderpreis von 79 €. Passive Teilnahme 35€/Person.
Ausschreibung_Gelassenheitstraining2017
Anmeldung_Gelassenheitstraining2017-10
Bei max. 8 aktiven Teilnehmern kannst Du intensiv üben, wie ein erfolgreiches Training Schritt für Schritt aufgebaut wird.
Du solltest Dich schnell anmelden, der Kurs ist schon fast ausgebucht. Wir freuen uns auf Dich!
Ich wünsche Dir einen schönen Herbst, mit viel Pferd!
Deine Beate
Bleib im Vertrauen…und geniesse den Augenblick